Rosenstein Viertel I Stuttgart

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Umformung des natürlichen Geländes zur „Kunstlandschaft“

Die Entstehungsgeschichte des Rosensteinviertels ist eng mit der Entwicklung der Bahntrassen und bahntechnische Einrichtungen des Stuttgarter Talkessels verbunden. Der zum Nesenbachtal und zum Cannstatter Neckarknie abfallende Osthang wurde im Verlaufe der industriellen Entwicklung, insbesondere durch den Anschluss der Kernstadt im Kessel an das Bahnnetz, mehrfach überformt und durch großmaßstäbliche Trassen, Erdbewegungen und Ingenieurbauten in eine „Kunstlandschaft“ umgestaltet: Einschnitte und Auffüllungen bilden Großterrassen, Bahndämme mit steilen Böschungen formen unüberwindbare Grenzen wie einst die Fortifikationen der frühen Neuzeit, riesige Brücken und Überwerfungsbauwerke liegen als Großbauten in das Schienenetz eingebunden und tiefe Schluchten führen zu Tunneleinfahrten und Unterführungen.

 

Bahntechnische Parameter formten die Stadtgestalt des Rosensteinviertels 

Die lang gezogenen Kurven der Bahntrassierungen mit ihren großen Radien und die Steigungswinkel der Bahntechnik bildeten die Parameter und Randbedingungen, aus denen der Stadtgrundriss des Viertels in seinen Großformen entstanden ist.  So verdankt sich die charakteristische, nördliche Rundung des Pragfriedhofs nicht dem Entwurf eines Gartenarchitekten, sondern der lang gezogenen Kurve einer ehemaligen Bahntrasse. Nahezu alle geschwungenen Grenzlinien einzelner Stadtbaufelder des Rosensteinviertels lassen sich aus der über ein Jahrhundert dauernden Eisenbahngeschichte erklären. Dies gilt in gleicher Weise für die Topografie, die fast nur noch in den erhaltenen Teilen des Schlossparks und des Rosensteinparks mit der natürlichen Morphologie übereinstimmt. Aus dieser sehr speziellen Stadtbaugeschichte ist ein sehr charakteristischer Stadtgrundriss, eine sehr „eigenartige“ Stadtgestalt entstanden. 

 

Weiterentwicklung der „industriellen Formgebung“ des Stadtteils

Warum sollten die Resultate dieser „industriellen Formgebung“ zerstört oder ignoriert werden, wenn sich in der „Eisenbahnfolgelandschaft“ funktionsfähige und gut gestaltete Stadtquartiere einrichten lassen? Wir schlagen deshalb die Erhaltung und Weiterentwicklung dieser historischen Relikte der Industriegeschichte vor und, soweit sinnvoll, die Einbeziehung baulicher Elemente der historischen technischen Infrastruktur in eine neue bauliche Nutzung. Das Zusammenfügen der heterogenen Siedlungselemente und Grünanlagen des Viertels, die aus verschiedenen Epochen stammen und verschiedenen Mustern folgen, wird nicht durch eine Vereinheitlichung ihrer Struktur möglich sein. Folglich werden die einzufügenden neuen Quartiere oder Stadtbaufelder als neue „Inseln“ konzipiert, die sich in ihrer Gesamtform auf die Kurven der Eisenbahntrassen beziehen. Erst durch die Grünverbindungen und eine Sequenz von Stadtachsen und Quartiersplätzen werden sie zum Rosensteinviertel verbunden.

 

Aufbau eines dominanten Netzes übergeordneter stadträumlicher Verbindungen

Dieses übergeordnete Netz dominanter, stadträumlicher Verbindungen – Achsen und Plätze / Gelenkelemente respektiert einerseits die relative Eigenständigkeit der Teile, bindet diese jedoch untereinander zu einem Ganzen zusammen. An den End- bzw. Umlenkpunkten dieses Stadtraumnetzes werden höhere Gebäude als Zielpunkte und Landmarken platziert. Die eigenständige, rechtwinklige Geometrie dieser verbindenden Stadträume lässt sich in die innere Geometrie der Teile einfügen, ist aber gleichzeitig als übergeordnete Großform ablesbar und erfassbar. Die wichtigste Nord-Süd-Achse bleibt die Nordbahnhofstraße. Die wichtigste, neue Ost-West-Stadtachse wird die Verlängerung der Steinbeisstrasse über die Norbahnhofstraße hinweg nach Westen (IV-Erschließung und Fußwegzugang von der  Haltestelle auf der Nordbahnhofstrasse) und nach Osten als Querverbindung zum neuen Quartier im Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs. Diese Ost-West-Achse stellt die wichtigste, Quartiers übergreifende stadträumliche Verbindung quer durch das Rosensteinviertel hindurch dar. Sie endet jeweils in den Quartiersplätzen der neuen Stadtbaufelder bzw. wird dort rechtwinklig umgelenkt. An der Kreuzung dieser Achse mit der Rosensteinstrasse wird sie auf ein Brückenbauwerk über die Strasse und die anschließenden S-Bahntrassen in das neue Quartier geführt.

 

Situationsspezifische Einbindung des Stadtteils 

Die Einbindung des Stadtteils in die angrenzenden Bereiche des Stuttgarter Talkessels erfolgt  situationsspezifisch:

Im Süden verknüpft das „Forum“ den Parkrandweg von Stuttgart 21 mit dem Rosensteinviertel.

In diesem Knoten werden die unterschiedlichsten Richtungen miteinander verbunden:

– der  Zugang zur neuen, oberen Terrasse des Parks mit der Hochpromenade entlang der Stützmauer des alten Bahngeländes,

– die Blickbeziehung aus der Nordbahnhofstrasse, die die alte und neue Nord-Süd-Hauptachse des Stadtteiles darstellt.

– der Auftakt zur Schlossachse des Schlosses Rosenstein (Rondell mit den Rosselenkern).

Der untere und obere Weg durch den Park nach Norden verbinden sich vor dem Schloss in einer neuen Grünanlage, die das Muster der Parkwege und Baumgruppierungen des bestehenden Parks aufnimmt. Die neue, obere Parkterrasse hebt sich jedoch in ihrer geometrischen Gliederung deutlich vom Schlosspark auf dem Talgrund ab. Die künstliche Einebnung des Güterbahngeländes und die gewaltige Stützmauer zum Schlosspark hin sollen im Sinne des oben dargestellten Konzeptes erhalten bleiben. Aus der Beziehung beider Parkterrassen entstehen reizvolle Situationen und spannungsreiche Kontraste. Das an das Forum anschließende, imposante „Überwerfungsbauwerk“ soll in jedem Falle weit gehend  erhalten und teilweise als „Skulptur“ freigelegt werden. Es bieten sich Bereiche für bestimmte Segmente der Musikszene ( Raves), Discolandschaften, Trendsportarten und sonstige kommerzielle Freizeiteinrichtungen an, die durch ihre eher periphere Lage bezogen auf den Park wenig stören – andererseits gut in das Verkehrsnetz und an die Innenstadt angebunden sind. Ein konsistentes Nutzungskonzept mit einer Kostenabschätzung zu erarbeiten wäre jedoch ein eigenes Wettbewerbsthema. Über den Schlosspark hinweg nach Osten ergeben sich stadträumliche Bezüge aus der Aufnahme des Strassen- und Blockrasters, das zur Gliederung der neuen, oberen Parkterrasse (Pavillons und Treppenauf-/ abgänge zwischen den Parkniveaus) herangezogen werden. Diese Auf-/ Abgänge bilden auch die Orientierungspunkte für Wege, die den Schlosspark durchqueren. Von der langen Hochpromenade aus ergeben sich reizvolle Blickbeziehungen bis zum Neckarknie und auf die gegenüberliegende Hangbebauung, zum Schloss Rosenstein und auf den tieferliegenden Schlosspark.

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